Belletristik, Jugendbuch

von Franco Supino
Cover von Laura Jurt
320 S. | 14.8 x 21 cm
Klappenbroschur, Fadenheftung
kwasi verlag 2013 || 25 fr. | 23 €
ab 14 Jahren und für Erwachsene
ISBN 978-3-906183-11-4

Autor

Franco Supino ist 1965 in Solothurn geboren und wuchs als Kind italienischer Eltern zweisprachig auf. In Zürich und Florenz hat er Germanistik und Romanistik studiert.
1995 erschien sein erster von inzwischen sechs Romanen „Musica Leggera“, über den Peter Bichsel schrieb: “Supino ist ein Buch gelungen, das schon Hunderte vor ihm schreiben wollten, geschrieben haben, an ihm gescheitert sind.” Im viel beachteten Essayband „Solothurn liegt am Meer“ beschriebt Supino, wie er als so genanntes Gastarbeiterkind aufwuchs: „Heimat kann man nicht kaufen und nicht schaffen, Heimat bekommt man geschenkt.“

Rezensionen
Neurodiversität

Wasserstadt

Beschreibung

Ani, Elson und Züsi erzählen aus ihrer jeweiligen Sicht von den ungewöhnlichen Umständen ihres Aufeinandertreffens, ihren gemeinsamen Veränderungen in diesem Sommer und den getrennten Wegen im Herbst. Sie kämpfen mit unterschiedlichen Problemen und Strategien. Sie können sich gegenseitig helfen und doch bleiben sie allein – bei sich selbst. Dass Geld dabei eine Rolle spielt, dass aus einer Mülldeponie eine Goldgrube entstehen soll, merken sie erst, als ihnen das Gold quasi vor die Füße fällt und nicht mehr wichtig ist. Was bin ich bereit, für Geld zu tun? Was hat welchen Wert und zu welchem Zeitpunkt? Werden mich die anderen noch mögen, überhaupt erkennen, wenn ich mich verändere?

Leseprobe

Habe das nicht gewollt. Niemand von uns Kindern hat das gewollt. Paps hat gesagt, er zieht aus, Mam hat gemeint, das traust du dich nie, und ich hab gesagt, wenn Paps geht, gehe ich mit. Reibe mir die Augen, blinzle. Wo bin ich hier? An der Wand gegenüber ein Quadrat. Darin zwei Punkte, wo mal Nägel eingeschlagen waren. In der Ecke eine Schmutzspur bis hoch zur Decke. Der Putz blättert. Schließe die Augen wieder. Von der Küche her höre ich Männerstimmen sich zuprosten. Spüre den Muskelkater in den Armen und Beinen zwicken. Was für ein Tag! Um acht Uhr früh habe ich die erste Kiste gepackt. Die Gitarre umgehängt. Paps, eine Schachtel auf dem Arm und einen Bürostuhl vor sich herschiebend, ging vor mir. Mam stellte sich ihm trotzig in den Weg, als er über die Hausschwelle treten wollte. „Geh doch bitte mit den Kleinen in die Stadt“, hat er sie angeschrien. Paps ist wild entschlossen. Seit Wochen. Jo und Trix standen auf dem Vorplatz. Irgendwie verschüchtert. Wie nach langer Gefangenschaft ausgesetzte Tiere. „Gut“, sagte Mam. Packte Trix und Jo. Zog sie ins Haus. Trix schaute sich um. Aber nicht nach Paps. Nach mir. Bin erschrocken. Die Gitarre, die um meinen Hals hing, rutschte nach hinten. Der Gürtel würgte. Versuchte Trix zuzulächeln. Kurz darauf fuhr das elektrische Garagentor nach oben. Die Nase des Autos rollte auf den Vorplatz. Jo und Trix saßen auf dem Rücksitz. Jo liefen Tränen über die Wangen. Trix hatte ihre Arme um ihn gelegt. „Was machst du mit meinem Wagen?“, schrie Paps. „Dein Wagen?“ Mam, am offenen Fenster, schüttelte den Kopf. Gab Gas. Paps musste ausweichen. Die Schachtel, die er in der Hand hielt, fiel krachend zu Boden. Das Auto berührte den Bürostuhl. Paps lief dem Stuhl hinterher. Als er ihn zu fassen kriegte, hob er ihn stöhnend über den Kopf. Als wolle er ihn dem davonbrausenden Auto nachwerfen. „Wie soll ich denn am Montag zur Arbeit fahren?“, seufzte er. Setzte sich auf den Bürostuhl. Die Ellbogen auf die Lehne gestützt hielt er den Kopf in beiden Händen. Sah auf. Sah mich an. Mit Tränen in den Augen.